Und wenn ich es wäre? Wenn ich plötzlich arbeitslos oder ausgesteuert wäre? Wenn ich zeitlebens in einem Bereich gearbeitet hätte, der nun dem Untergang geweiht ist, der von einem massiven Stellenabbau betroffen ist, und der mich, wie man mir unverblümt zu verstehen gibt, überflüssig macht? Wenn meine Ehe zerbräche, wenn ich mit begrenzten Mitteln dringend eine Wohnung finden müsste, um meine Kinder unter bestmöglichen Bedingungen unterzubringen, während ich gleichzeitig eine Unmenge schwerverständlicher Formulare, haufenweise Rechnungen und schlaflose Nächte zu bewältigen hätte? Wenn ich an der Supermarktkasse monate- oder jahrelang das mir verbleibende Kleingeld zählen und die Lebensmittel, die ich mir leisten kann, drastisch reduzieren müsste?
Es ist nicht leicht, den Sozialhilfedienst aufzusuchen. Um Hilfe zu bitten. Alle Hüllen fallen zu lassen vor Sozialarbeiterinnen, die zahlreiche persönliche Fragen stellen, auf die zu antworten ist. Von diesem Augenblick an sind Sie Sozialhilfeempfängerin und damit die Person, auf die mit dem Finger gezeigt wird: «Dass du dort gelandet bist, geschieht dir recht. Mit etwas gutem Willen hättest du schon längst eine Lösung gefunden und dir aus der Patsche geholfen.»
Man sagt, die Sozialhilfe sei für die Gesellschaft zu kostspielig geworden, die Statistiken seien schlecht, und es müsse unbedingt gespart werden. Der Arbeitsmarkt ist komplex, und die Armut nimmt ständig zu in der Schweiz. Sogar Beschäftigte brauchen manchmal Hilfe, um am Monatsende über die Runden zu kommen. Man spricht von «Profiteuren» und «Nichtstuern», als träfe das für die Mehrheit der Sozialempfänger*innen zu. Doch was wissen wir wirklich über diese Menschen? Und welcher Platz wird jenen eingeräumt, die nicht betrügen?
«Unterbrochene Lebenswege» gibt allen eine Stimme, deren Leben für eine kurze oder lange Zeit aus den Fugen geraten ist.
Denn vor allen Dingen und ungeachtet der schlechten Meinung, die man von Sozialempfänger*innen haben kann, ist Sozialhilfe ein Recht, kein Privileg.
Täglich geöffnet bis Herbst 2021.
Pressedossier auf PDF
Konzept : Ghislaine Heger, Michia Schweizer
Szenografie : Michia Schweizer
Texte und Filmrealisation : Ghislaine Heger
Grafische Gestaltung : Elise Gaud de Buck
Deutsche Übersetzung : Hubertus von Gemmingen
Englische Übersetzung : Transit TXT
Nach einem Diplom, das sie 2006 an der Genfer Hochschule für Kunst und Design HEAD in der Sektion Film erhält, dreht Ghislaine Heger Kurzfilme und ist für zahlreiche Schweizer Produktionsfirmen sowie für Filmfestivals und andere audiovisuelle Institutionen tätig. Zwischen 2012 und 2016 koordiniert sie die «Tournée de la Nuit du Court métrage» durch die Westschweiz und das Tessin. Derzeit wechselt sie zwischen Film- und Fotoprojekten im Dokumentarbereich und arbeitet bei kulturellen und/oder sozialen Veranstaltungen in der Romandie mit. Das Projekt «Unterbrochene Lebenswege», das sie 2017 realisiert, umfasst ein Buch mit Porträtaufnahmen und Aussagen von Sozialhilfebezügern sowie eine Fotoausstellung derselben Porträts. Die Schau wanderte – und wandert immer noch – durch mehrere Städte der Schweiz.
www.ghislaineheger.ch
Michia Schweizer. Szenograf
Geboren 1969 in Neuenburg, lebt in Freiburg. Bürger von Basel-Stadt.
Nach einer Ausbildung in Soziologie der Sozialarbeit ist er im Bereich der soziokulturellen Animation in der Stadt Freiburg tätig. Seit 1997 arbeitet er als Animator im Zentrum Schönberg und ist augenblicklich für die soziokulturelle Animation des Vereins REPER in Freiburg verantwortlich.
In verschiedenen Berufsvereinigungen entwickelt er Kompetenzen im partizipativen Projektmanagement auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene und beteiligt sich an der Planung und Umsetzung von Aktionen zur sozialen Integration. Für verschiedene Theaterinszenierungen, insbesondere im Nuithonie in Freiburg, entwirft er Bühnenbilder. Zudem arbeitet er mit dem Festival Belluard Bollwerk zusammen für Projekte, die künstlerisches Vorgehen und Sozialarbeit verknüpfen.
Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft
Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft SGG wurde 1810 als Verein gegründet. Die SGG setzt sich für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft in der Schweiz ein.
Die SGG schenkte im Jahr 1860 der Eidgenossenschaft das Rütli, verwaltet es seither und organisiert dort jeweils am 1. August die Bundesfeier.
Die SGG verstand sich als Erbin der Helvetischen Gesellschaft und verfolgte aufklärerisch-patriotische Ziele. Vorbild war die 1777 gegründete Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige Basel. Sie stellte die Gemeinwohlorientierung ins Zentrum und konzentrierte sich in den ersten Jahrzehnten auf die Armutsbekämpfung, die Förderung von Bildung, Erziehung und wirtschaftlichen Fortschritt. Die liberal gesinnten Mitglieder des SGG, die reformierter und katholischer Herkunft waren, förderten ein reformorientiertes Diskussionsforum für die politischen, wirtschaftlichen und geistlich-seelsorgerischen Eliten und wirkten dadurch national integrierend und staatstragend.
Verein Tokyo Moon
Der Verein verfolgt das Ziel, künstlerische Projekte zu entwickeln, zu realisieren und zu fördern. Zu seinen Tätigkeitsbereichen gehören die Fotografie und andere bildende Künste, Film und Video, Bühnenkünste, angewandte Kunst, Musik, Literatur, Cross-Media und alle als künstlerisch geltenden Ausdrucksformen.
Die Projekte können in unterschiedlicher Weise umgesetzt werden, zum Beispiel als Ausstellung, Buchedition, öffentliche Vorführung, Website oder in jeder anderen Form, die imstande ist, das Projekt auf sämtlichen Plattformen oder in allen physischen oder virtuellen Medien bestmöglich zu fördern.
Der am 10. Oktober 2015 in Lausanne gegründete Verein Tokyo Moon ist eine gemeinnützige Organisation von unbegrenzter Dauer. Sein Hauptsitz befindet sich in Lausanne.
www.tokyomoon.ch
Kontakte
Verein Tokyo Moon: [email protected]
Ghislaine Heger: 079 279 53 02
SGG: [email protected], Tel. 044 366 50 30